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Österreicher-Fluch bei den Vienna Capitals

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Nach der gestrigen Verletzung von Patrik Kittinger im Spiel gegen den KAC kann man es schon nahezu als Fluch betrachten. Rafael Rotter noch vor Saisonbeginn (wieder) verletzt. Dominic Hackl nach abermaliger Verletzung erst zwei Monate nach Saisonbeginn mit dem ersten Ligaspiel. Patrick Peter mit Kreuzbandriss erst in der EBEL-Saison 20/21 wieder mit dabei. Niki Hartl seit mehr als 2 Wochen und wohl auch noch einige Wochen länger out.

Und auch Sascha Bauer gesellt sich zur langen Verletztenliste der Vienna Capitals, die ausschließlich aus Österreichern besteht. Auch das Farmteam ist von langfristigen Verletzungen gebeutelt, was die aktuelle Gesamtsituation zu einer Herausforderung und gleichzeitig zu einem Warnschuss macht.

Der Kader dünnt sich aus

Von Anfang an waren die Wiener am Österreicher-Sektor nicht besonders gut aufgestellt. Die Genesung von Rotter vor der Saison 19/20 war fast schon überlebensnotwendig, um mit den besten Teams der Liga mitzuhalten. Seine neuerliche Verletzung am Knöchel ließ diese Hoffnung schnell platzen. Grund dafür sind die zahlreichen Abgänge von Österreichern im Sommer.

So manchen, wie etwa jenen von MVP Peter Schneider, konnte man nicht vermeiden. Andere wollte man nicht um jeden Preis verhindern. In gewisser Weise nachvollziehbar, in der aktuellen Situation eher weniger, denn schön langsam gehen den Vienna Capitals die Österreicher aus. Konnte man solch ein Verletzungspech erwarten? Vermutlich nicht. Hätte man es trotzdem besser machen können? Mit Sicherheit.

Jede Rolle im Team ist wichtig, egal ob es sich um Ergänzungsspieler handelt (wie es etwa Sascha Bauer oder Patrik Kittinger sind) oder ob es sich um Spieler mit tragenden Rollen in der Mannschaft geht (wie etwa Rafael Rotter oder mit Abstrichen Niki Hartl und Patrick Peter). Der Unterschied liegt jedoch darin, dass Ergänzungsspieler während der Saison eher ersetzt werden können. Ein Spieler wie Rafael Rotter kann in der laufenden Saison kaum ersetzt werden. Das gleiche gilt für Hartl oder Peter.

Keine Selbstbedienung beim Caps-Farmteam

Henrik Neubauer, der als (kostengünstiger) Ersatz für Emilio Romig und Benjamin Nissner aus Dornbirn gekommen ist, wurde schnell ins Farmteam transferiert, weil Dave Cameron von anderen Spielern mehr überzeugt war. Nach guten Leistungen und den angesprochenen Verletzungen schaffte er es im gestrigen Spiel gegen den KAC wieder ins Line-Up. Zeit auf dem Eis trotz der Verletzung von Kittinger: 0 Minuten und 0 Sekunden. Ist es wirklich die bessere Alternative mit 10 Stürmern zu spielen, anstatt Henrik Neubauer spielen zu lassen?

Das Lazarett wird auch Dave Cameron zum Handeln bringen, denn brauchbare Spieler ohne Vertrag gibt es aktuell nicht. Die einzige Möglichkeit könnte sich den Caps mit Benjamin Nissner bieten, der in 25 Spielen in der zweiten schwedischen Liga auf gerade Mal 3 Tore und 3 Assists kommt und mit -8 die schlechteste Plus-Minus-Wertung seiner Mannschaft hat (Eiszeit: 14:55 Minuten/Spiel). Die Alternative: Farmteam-Spieler. Oder doch nicht?

Ja und Nein. Fabio Artner hat mittlerweile seinen Fixplatz im Kader der Kampfmannschaft eingenommen. Ohne Verletzung zu Saisonbeginn hätte er wohl jetzt schon einige EBEL-Spiele mehr am Buckel. Vor allem defensiv trifft er selten falsche Entscheidungen und sorgt mittlerweile auch in der Offensive für Torgefahr. Er ist mit Sicherheit ein Spieler dem die Zukunft gehört und der genau solche Situationen wie jetzt für seine Entwicklung nutzen kann.

Trotzdem hinterlässt das Auffüllen der Kampfmannschaft mit Nachwuchsspielern ein Loch im Vienna Capitals Farmteam, wo etwa Artner mit 12 Punkten in 13 Spielen als Stütze galt. Denn auch das Farmteam muss in der Alps Hockey League konkurrenzfähig bleiben. Nicht selten konnte man nur mit viel Bauchweh 3 Linien aufbieten. Gegen körperlich überlegene Gegner, wie es die Top-Clubs aus Italien, Slowenien oder West-Österreich sind, ist das natürlich ein großer Nachteil.

Verletzungssorgen auch beim Farmteam

Gerade eben weil auch die Vienna Capitals Silver Verletzungssorgen plagen. Kapitän Richard Schlögl fällt die ganze Saison aus. Legionär Viktor Johansson konnte seit Saisonbeginn noch kein einziges Spiel absolvieren. Max Zimmermann musste nun schon einige Spiele pausieren oder etwa auch Alexander Hofer fällt seit längerem aus.

Nimmt man der zweiten Mannschaft dann noch die aktuell besten österreichischen Spieler, ist die Konkurrenzfähigkeit schnell dahin. Henrik Neubauer, Armin Preiser, Fabian Ranftl oder Patrick Antal wären solche Kandidaten. Natürlich ist die Kampfmannschaft wichtiger, dennoch kann man “die Silbernen” auch nicht komplett entwaffnen. Es muss beides funktionieren können.

Verletzungs-Fluch mit teilweiser Selbstverschuldung

Ja, es ist viel Pech sowohl bei den Vienna Capitals selbst, als auch beim Farmteam dabei. Aber ja, es war auch teilweise Selbstverschuldung. Die Arbeit am Österreicher-Sektor im Sommer war schlichtweg nicht gut genug. Mit der dünnen österreichische Kaderdecke läuft man im Vergleich zu anderen Top-Teams ins offene Messer.

Das Verletzungspech ist dabei nur ein beschleunigender Stoß in diese Richtung. (Größere) Bemühungen um verfügbare Österreicher wie etwa Ex-Cap Martin Ulmer oder um eine Vertragsverlängerung von Benjamin Nissner wären angebracht gewesen, auch wenn einem eventuell ein Zacken aus der Krone gebrochen wäre. Stattdessen hat man Spieler verpflichtet, die zwar jung sind und die nötige Staatsbürgerschaft haben, aber keine tragenden Rollen einnehmen können. So führen (langfristige) Verletzungsausfälle von Rotter, Hartl und Peter dazu, dass Spieler wie etwa Julian Grosslercher in Rollen schlüpfen müssen, die für sie unpassend sind. Während andere Spieler in den Startlöchern scharren, vom Coach aber nicht berücksichtigt werden (können).

Das Farmteam benötigt noch Zeit, um die nötige Breite aufzubauen und die Kampfmannschaft in solchen Phasen bestmöglich unterstützen zu können. Vermutlich verlässt man sich bei den Vienna Capitals deshalb aktuell in den wichtigen Situation ausschließlich auf Legionäre. Vermutlich ist man dadurch aber in der aktuellen Situation auch etwas verlassen. Eines ist sicher: Für eine erfolgreiche Meisterschaft in der EBEL benötigt es sowohl starke Legionäre, als auch starke Österreicher. Und speziell am Österreicher-Sektor muss nächste Saison wieder besser gearbeitet werden.

von Daniel Fehringer
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